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Bieten Radwege Schutz?

Viele Radfahrer, darunter auch solche, die seit vielen Jahren täglich Fahrrad fahren, glauben, dass Radwege dazu geeignet sind, Radfahrer vor Unfällen mit Kraftfahrzeugen zu schützen.
Dabei wissen die meisten aus eigener Erfahrung, dass es auf Radwegen häufig kritische Situationen gibt. Oft genug müssen Radfahrer sie selbst durch Verzicht auf ihren Vorrang oder ihre Vorfahrt entschärfen. In persönlichen Gesprächen wird meist von abbiegenden oder aus einer Einfahrt ausfahrenden Autofahrern berichtet, die nicht auf Radfahrer achten. Ebenfalls allgemein bekannt ist, dass Radwege oder Radstreifen von Autofahrern gerne zum Abstellen ihrer Fahrzeuge benutzt werden. Dadurch werden Radfahrer gezwungen, kurzfristig und an dafür ungeeigneten Stellen auf die Fahrbahn auszuweichen, was regelmäßig zu gefährlichen Manövern führt.
Dennoch meinen viele Menschen, dass solche Situationen Einzelfälle sind, die nichts daran ändern, dass Radwege geeignet sind Radfahrer vor Unfällen zu schützen. Viele wissenschaftliche Untersuchungen zeigen aber das Gegenteil: Radfahrer sind auf Radwegen stärker gefährdet als auf der Fahrbahn.
Radwegsicherheit in der Verkehrsforschung
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Die sicherlich bekannteste und umfangreichste Studie zu diesem Thema ist von der Bundesanstalt für Straßenwesen im Jahr 1992 herausgegeben worden (R. Schnüll e.a.: Sicherung von Radfahrern an städtischen Knotenpunkten, Bericht der Bundesanstalt für Straßenwesen zum Forschungsprojekt 8952, 1992). In dieser Arbeit beschränkten sich die Autoren auf innerörtliche Radwege, die in einem guten Zustand, sowohl von ihrer Führung als auch ihrer baulichen Ausführung, waren.
Dabei wurden Hauptverkehrsstraßen ebenso wie Nebenstraßen betrachtet. Damals schon bekannte Risikofaktoren wie Radwege, auf denen links, also gegen die Fahrtrichtung gefahren werden muss, wurden vorsorglich aus der Betrachtung genommen. Ebenso erging es kombinierten Rad- und Fußwegen, bei denen es schon zwischen Radfahrern und Fußgängern zu vermehrten Unfällen kommt.
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Trotzdem wies die Studie eindeutige Ergebnisse aus: das Benutzen eines Radweges ist an Kreuzungen mit einem bis zu fünffach höheren Risiko verbunden als das Fahren auf der Fahrbahn.
Auch durch teure und aufwendige Maßnahmen können diese Risiken nicht nachhaltig gesenkt werden: selbst wenn der Radweg an der Kreuzung aufgewölbt und farblich von der Fahrbahn abgesetzt wird, bleibt es bei einem verdoppelten Risiko verglichen mit dem Fahren auf der Fahrbahn, berichtet die BASt-Studie. Eine aktuellere Arbeit der Uni Lund von 2006 (Stefanie König, "Evaluations of the effect of rebuilt bicycle paths at intersections on arterial streets in Lund", LTH 2006; PDF, 4,6 MB) kann überhaupt keine dauerhafte Erhöhung der Verkehrssicherheit durch das Einfärben und Aufwölben von Radwegfurten erkennen: Nach einer kurzen Eingewöhnungszeit stellt sich wieder dieselbe Anzahl an Konflikten wie vor den Baumaßnahmen ein.
Auch abseits von Einmündungen keine höhere Sicherheit
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Eine andere Studie der Bundesanstalt für Straßenwesen (W. Angenendt e.a.: Verkehrssichere Anlage und Gestaltung von Radwegen, Bericht V9 der Bundesanstalt für Straßenwesen, 1993 ) beschränkte sich auf Unfälle von Radfahrern zwischen Kreuzungen.
Dabei wurde herausgearbeitet, dass Radwege abseits von Kreuzungen zu einer Verlagerung der Unfälle in ihrer Art führen. Ein tatsächlicher Rückgang der Unfallzahlen konnte nicht belegt werden. Es wurde auch festgestellt, dass Unfälle von Radfahrern auf der Fahrbahn häufig durch zu geringen Seitenabstand der Radfahrer selbst zum Fahrbahnrand begünstigt werden. Viele der Unfälle waren Kollisionen mit plötzlich geöffneten Autotüren. Diese Unfälle können einfach durch Einhalten des von der Polizei geforderten seitlichen Abstandes vermieden werden.
Aber in den Niederlanden klappt es doch auch?
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Häufig werden in Diskussionen um Radwege die Niederlande als leuchtendes Beispiel genannt. Dort sei der Radverkehrsanteil besonders hoch, es gebe überall Radwege und Fahrradfahren sei dort komfortabel und sicher.
Tatsächlich hat das Fahrrad in unserem Nachbarland einen Verkehrsanteil von 27%, fast dreimal so viel wie in Deutschland. Auch gibt es dort auffallend viele Radwege. Sicherer ist das Radfahren aber nicht: Der niederländische Fietsberaad musste dem Verkehrsministerium zuletzt mitteilen, dass im Jahr 2006 von allen in ein Krankenhaus eingelieferten Verkehrsunfallopfern 40% Fahrradfahrer waren. Damit sind Radfahrer in den Niederlanden mit ihren vielen Radwegen unter den Verkehrsopfern deutlich überrepräsentiert.
Radfahren - schon heute sicher
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Wie die Daten des Statistischen Bundesamtes zeigen, ist Radfahren in Deutschland trotz der heute bestehenden Gefahren genau so sicher wie Autofahren. Damit ist die weit verbreitete Annahme widerlegt, Radfahren sei besonders gefährlich. Tatsächlich erwartet die Bundesanstalt für Straßenwesen für 2007, dass der Anteil der Radfahrer an den Verkehrstoten unter 10% und damit unter ihrem allgemeinen Verkehrsanteil liegt. Radfahrer werden also nicht häufiger Opfer eines Verkehrsunfalls als der Durchschnitt aller Verkehrsteilnehmer. Die Erfahrung lehrt, dass die große Menge der Radfahrerunfälle Stürze eher harmloser Art sind, die nur in seltenen Fällen zu Krankenhausaufenthalten führen. Erst in Verbindung mit Kraftfahrzeugen, wie es die Querungsunfälle bei Radwegen provozieren, entstehen schwerere Verletzungen. Die geltende Rechtslage zwingt Radfahrer dazu, auf dem Radweg zu fahren, wenn dieser mit einem blauen Schild gekennzeichnet ist. Damit werden aber Radfahrer nach den Erkenntnissen der Unfallforschung gezwungen, sich selbst übermäßig zu gefährden. Die niedrige Unfallquote ließe sich also weiter senken, wenn Radfahrern erlaubt wird, was für alle anderen Verkehrsteilnehmer selbstverständlich ist: Dort zu fahren, wo sie am sichersten sind.