Mit dem Umbau kam die Freiheit
14.10.19Nach Sanierung und Neugestaltung wurde die Kanalstaße für Radfahrer in Gegenrichtung freigegeben, und zwei der ältesten Ampelanlagen von Neuss konnten abgeschafft werden.
Anwohner, Schüler und Kunden der Citygeschäfte freut der Umbau, denn sie profitieren davon. Für die Einrichtung einer Fahrradstraße fehlte allerdings der Politik noch der Mut.
Alwina Heinz fährt oft und gerne mit dem Rad, so wie viele Bewohner in den Straßen rund um das Neusser Amtsgericht. Liebevoll geschmückte Fahrräder stehen hier vor den Häusern mit den schmucken Fassaden, angekettet an Ringösen, die in der Hauswand fest verankert sind. Die Bewohner sind erfinderisch, denn es mangelt an Abstellplätzen im dicht bebauten Gründerzeitviertel.
Die frisch sanierte Kanalstraße findet Alwina richtig gut. Denn mit dem Umbau hat sie nicht nur eine glatte neue Asphaltdecke bekommen, es hat sich für Radfahrer auch einiges verbessert. Das wichtigste sei die Freigabe der Einbahnstraße in Gegenrichtung, denn die spare bei Wegen Richtung City wertvolle Zeit, meint Alwina, und ihr Nachbar Stefan Fersch, auch ein begeisterter Radfahrer, stimmt zu.
Ohne die Freigabe müsse sie weit um den Block fahren und bräuchte mehrere Minuten länger. Als Künstlerin, die im Atelierhaus an der Hansastraße tätig ist, fährt sie oft stadteinwärts und hat für den Transport von Bilderrahmen auch schon einige Male das Lastenrad des ADFC ausgeliehen. Das alles geht nun deutlich schneller, und da nur auf einer Seite der Kanalstraße Autos parken, war Platz genug für einen Schutzstreifen, der mit Piktogrammen und Pfeilen anzeigt, wozu er da ist: als Fahrspur für Radfahrer Richtung City.
„Man hat mehr Luft“
Überhaupt hat die Stadt sich viel Mühe gegeben, die neue Kanalstraße sicher zu gestalten. Man hatte sogar eigens bei Professor Gerlach von der Uni Wuppertal ein Sicherheitsaudit bestellt – dabei ging es auch um die Frage, ob man auf die Ampeln an den Kreuzungen mit der Breite Straße und mit der Erftstraße verzichten kann. Das sei kein Problem, stellte der Verkehrswissenschaftler auf einer Diskussionsveranstaltung mit Bürgern in der Trafostation klar. Man müsse aber für freie Sicht sorgen und den Kreuzungsbereich optisch hervorheben. Die Verwaltung folgte den Empfehlungen, entfernte an der Kreuzung mit der Breite Straße mehrere Parkplätze und sorgte mit Aufpflasterungen und Markierungen für die verlangte optische Klarheit. Nur zu einer Widmung als Fahrradstraße konnte sich die Verwaltung (noch) nicht durchringen, obwohl das laut Gerlach durchaus auch eine Option ist. Alwina Heinz genießt derweil das jetzt bereits gewonnene Plus an Freiheit für Radfahrer. „Man hat mehr Luft“ findet sie mit Blick auf die neu gestaltete ampelfreie Kreuzung mit der Breite Straße, wo freie Sicht herrscht, seitdem die Reihen parkender Autos um einige Meter zurückgedrängt wurden.
Doch nicht nur Anwohner wie Alwina oder Stefan freuen sich über die neue Kanalstraße. Auch die Schülerinnen und Schüler der großen Innenstadtschulen haben sie bereits für sich entdeckt. Ihren Weg vom Nordkanal zur Drususallee kürzen sie jetzt über die Kanal- und die Sternstraße ab und sparen sich damit die Ampel an der Kaiser-Friedrich-Straße. Und da man inzwischen auch die Wege im Stadtgarten mit dem Rad befahren darf, ist für viele Bewohner des Dreikönigenviertels die geöffnete Kanalstraße jetzt Teil einer schönen direkten Route zum Einkaufen in die City geworden.
City vom Durchgangsverkehr befreien
Der ADFC begrüßt die neue Verkehrsführung an der Kanalstraße, sie ist ein echter Gewinn für Radfahrer. Doch für ein wirklich fahrradfreundliches Neuss brauchen wir richtige Fahrradstraßen, auf denen Radfahrer entspannt nebenbeinander fahren könnnen. Dafür müssen wir wie in den Niederlanden die engen Innenstadtstraßen vom durchfahrenden Autoverkehr befreien und die Zahl der Parkplätze am Straßenrand deutlich reduzieren.