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Radweg Kürten-Spitze nach Herkenrath – Wunsch und Wirklichkeit
30.10.20Kategorie: RheinBerg-Oberberg, Verkehrsplanung
Im vergangenen September machte die von fünf Schülerinnen des Herkenrather Gymnasiums initiierte und mit Hilfe des ADFC durchgeführte „Kidical Mass“ auf die Notwendigkeit eines bis dato fehlenden Radweges an der Landesstraße L289 von Kürten-Spitze nach Herkenrath aufmerksam. Die medienwirksame Aktion war sehr erfolgreich, die Unterstützung der Bürger war durch eine hohe Beteiligung an der Fahrraddemo groß, ebenso aber auch die Erwartung auf eine schnelle Umsetzung.
Mehr Wunsch und Wirklichkeit …
Dieser dringend benötigte Radweg steht schon seit vielen Jahren auf Platz 1 der Prioritätenliste des Landes NRW für die rechtsrheinische und Bergische Region, aber es gab bisher keine nennenswerten Fortschritte bei der Umsetzung. Das gleiche gilt für viele weitere dringend benötigte Radwege an Landesstraßen.
Nach Ansicht des ADFC krankt das ganze System: NRW-Verkehrsminister Scheuer stellte am 28.7.2020 in Aussicht, Fördermittel in Höhe von 12 Millionen Euro (für 39 km Radwege an Landstraßen in NRW) zur Verfügung zu stellen. Angesichts der Größe des Landes sind das viel zu wenig Mittel. Und im Bergischen Land kommt kaum etwas davon an.
Seit 2017 wurde nur ein Projekt fertig gestellt, und zwar der 1 km lange Lückenschluss von Schildgen nach Leverkusen-Schlebusch. Nach mehr als zehn Jahren Planung konnte das Projekt in 2019 endlich fertig gestellt werden.
Am 26. Oktober 2020 wurde auf der Sitzung der zuständigen Verkehrs-Unterkommission des Kölner Regionalrates (eine Art Parlaments-Ausschuss mit Vertretern der Parteien auf Ebene der Bezirksregierung Köln) vom Landesbetriebs „Strassen.NRW“ (die Exekutive), folgendes bekannt gegeben: Auch in 2021 wird es im großen Gebiet der Städte Köln und Leverkusen sowie der Landkreise Rhein-Sieg, Rhein-Berg und Oberberg nur einen minimalen Zuwachs von gerade mal 1 km (in Oberberg) geben. Mit anderen Worten: der dringend benötigte Radweg zwischen Spitze und Herkenrath an der L289 muss weitere Jahre warten! Und dies gilt auch für die Warteliste mit ca. 50 weiteren Anträgen für neue Radwege an Landstraßen in NRW. Ganz schlechte Aussichten für den Radwegeausbau und für die Verkehrswende!
Warum funktioniert das nicht? - Der politische Wille fehlt!
Der seit Jahren fehlende Radweg an der L289 ist ein klassisches Negativbeispiel für ein Versagen von Politik und Verwaltung auf allen Ebenen!
Der Wunsch-Radweg soll über die Gebiete von Kürten und Bergisch Gladbach führen. Beide Kommunen hatten konträre Vorstellungen zu den ebenfalls in der Nähe der L289 geplanten Gewerbegebieten. Die Realisierung eines Radwegs spielte dabei scheinbar keine, oder nur eine untergeordnete Rolle.
Das größte Problem stellt jedoch der Erwerb der benötigten Grundstücke neben der Landesstraße dar, die sich in landwirtschaftlichem Besitz befinden. Der Landesbetrieb lehnte es ab, im Rahmen eines sogenannten „Planfeststellungsverfahrens“ das Mittel der Enteignung einzusetzen. Beim Straßenneubau ein gängiges Verfahren, beim Radwegebau scheinbar nicht. Dies spiegelt die Gewichtung wider: Straßenbau geht vor Radwegebau!
Wegen fehlender Klärung des Grunderwerbs stellte der Landesbetrieb Strassen.NRW schon 2016 jegliche weitere Planung ein. Es wurde auf einvernehmlichen Kauf gesetzt, die Stadt Bergisch Gladbach übernahm die Grundstücks-Verhandlungen, die zunächst aber keinen Erfolg zeigten.
2019 zeichnete sich dann ein Durchbruch ab: der Landwirt signalisierte Verkaufsbereitschaft im Falle einer Gegenleistung in Form eines Viehtrieb-Tunnels. Da aber seitdem seitens des Landesbetriebes keine konkrete Planung, Kostenschätzung und Klärung der Kostenübernahme des Tunnels erfolgt ist, gibt es derzeit offensichtlich immer noch keine rechtsverbindliche Vereinbarung über den nötigen Flächenerwerbs.
Hier spielen noch weitere Hindernisse eine Rolle: die Handlungsfähigkeit des Landesbetriebes ist durch organisatorische Umstrukturierungen stark eingeschränkt: Teile der Aufgaben und des Personals wurden an die neue Bundes-Autobahngesellschaft in Köln übergeben (höhere Gehälter beim Bund, Verlust von Planern und Projektleitern, mangelnde Identifikation mit den Projekten).
Auch auf kommunal-politischer Ebene hat die Realisierung des Radweges zu wenig „Drive“ gehabt, niemand hat es zur „Herzensangelegenheit“ gemacht, es wurde nur fatalistisch verwaltet.
Chefsache für die Bürgermeister
Das hilflose und nicht zielführende Agieren aller beteiligten Stellen (Regionalrat, Landesbetrieb, Kommunen) sollte einmal exemplarisch auf den Prüfstand gebracht werden, und zwar über den Regionalrat und den NRW-Verkehrsminister. Insbesondere müssen strukturelle Defizite bei den zeitkritischen Planungsprozessen behoben werden.
Mein trauriges Fazit: So wird das Geld wohl weiterhin in andere Regionen als in das Bergische Land fließen. Das wird sich bitter rächen, denn auf den bergischen Landesstraßen gibt es eine überproportionale Zunahme des Radverkehrs durch Pedelecs. Das Gedränge im Straßenraum nimmt immer weiter zu.
Die verlorene Zeit kann nur durch gesteigerte Anstrengungen aufgeholt werden: Dies bedeutet konkret:
- Deutliche Erhöhung des von 2018 bis 2020 konstant gebliebenen Radwege-Budgets
- Bereitstellung von Mitteln für Einstellung von Planern und Vergabe an externe Planungsbüros
- besseres Projektmanagement mit früherer Trassenfestlegung und Grunderwerb, gefolgt von vernetztem Vorgehen zwischen Landesbetrieb, Kommunen und Trägern weiterer öffentlicher Belange.
- Mehr Kreativität beim Anzapfen der reichhaltigen alternativen Fördermittel
Der ADFC wird durch Öffentlichkeitsarbeit und kritischen Dialog mit den Behörden und politischen Gremien auf einer massiven Beschleunigung der Radwegeprogramme im „Bergischen“ bestehen!